Die Magie der Spiegelungen: Ein Blick zwischen Welten

Ich schaue schon anders. Wird mir oft bescheinigt. Im Vorbeigang an einer Pfütze, einer Fensterscheibe, kann ich nicht widerstehen. Höre dann häufig die Frage „Was siehst du denn da?“

 

Was macht die Faszination von Spiegelungen aus? Warum werde ich immer wieder davon magisch angezogen?

 

Der Versuch einer Erklärung:

Es gibt Momente, in denen die Welt sich selbst begegnet. In einer Pfütze, die nach langem Regen den Himmel einfängt oder Bäume. In den Scheiben eines Gebäudes, die die Hektik der Straßen auf eine unerwartete Weise beruhigen. Oder in der unruhigen Oberfläche eines Sees, der zwischen Wind und Licht spielt und doch eine verborgene Tiefe ahnen lässt. Spiegelungen sind mehr als bloße Abbilder – sie sind Geschichten, die gleichzeitig sichtbar und doch verborgen bleiben.

 

Mich fasziniert, wie Spiegelungen Grenzen aufheben. Sie verbinden oben und unten, Innen und Außen, Wirklichkeit und Illusion. Sie laden dazu ein, hinzusehen – und vielleicht auch, mich selbst zu erkennen. Oft erscheint es mir, als würden sie eine Art Dialog führen: zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte. Zwischen Klarheit und Zerrissenheit.

 

Eine meiner liebsten Erinnerungen an das Fotografieren von Spiegelungen ist ein Bild, das ich auf einer Insel aufgenommen habe. Es war kein einfaches Jahr und ich suchte Zuflucht und Beruhigung in den Weiten und der Ruhe des Eilandes.

Am Ende eines langen Spaziergangs kam ich zu einem Gebäude an der Promenade. Fast magisch zog es mich zu den riesigen Panoramascheiben. Atmete einmal tief ein und aus und suchte dann den richtigen Standort, den passenden Standpunkt. Ohne (viel) zu denken. Es gelang mir eine Aufnahme, in der unzählige Ebenen (mir) meine rastlose Stimmung spiegeln.

 

Spiegelungen sind ein Spiel der Perspektive. Sie fordern uns heraus, die Welt neu zu sehen, bekannte Strukturen auf den Kopf zu stellen und das Schöne im Unvollkommenen zu entdecken. Sie lassen uns innehalten und fragen: Ist das, was ich sehe, echt? Oder ist es nur ein Hauch von Wirklichkeit?

 

Vielleicht liebe ich Spiegelungen, weil sie so flüchtig sind. Ein kleiner Windhauch, ein Schritt in die falsche Richtung – und das Bild ist verschwunden. Aber gerade diese Vergänglichkeit macht sie für mich so kostbar. Sie erinnern mich daran, wie wertvoll es ist, im Moment zu sein, sich den Augenblicken des Lebens ganz hinzugeben.

 

Und genau das versuche ich in meinen Fotografien einzufangen. Den Zauber des Unwiederbringlichen. Die Tiefe der Oberflächen. Den Tanz zwischen Licht und Schatten, der uns einen Hauch von Ewigkeit schenkt.

 

 

Und weil ich mich selbst mit einbinden kann, ich sozusagen Teil der Fotografie werde. Geheimnisvoll und nicht offensichtlich wie auf einem Selfie.

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